Mit dem „Phänomen“ Filesharing-Abmahnung dürften inzwischen Millionen Deutscher Bekanntschaft gemacht haben. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen schätzt die Zahl, der in den letzten Jahren versenden Abmahnungen auf über 4 Millionen. Diese Zahl dürfte allerdings nicht im Ansatz der Realität entsprechen, weil allein Deutschlands größte Abmahnkanzlei Waldorf Frommer in den letzten Jahren sicher schon 2 Millionen Abmahnungen versendet hat.
Nicht selten kommt es dabei vor, dass der jeweils zur Verantwortung gezogene Anschlussinhaber mehrere Abmahnschreiben unterschiedlichster Rechtsanwälte für unterschiedlichste Rechteinhaber erhält. Die jeweils geltend gemachten pauschalen Schadensersatzbeträge können sich dann schnell auf hohe vierstellige Beträge summieren.
Für Betroffene stellen sich drei zentrale Fragen:
Grundsätzlich hängt die Gefahr von Folgeabmahnungen natürlich am Ladeverhalten des jeweiligen Nutzers. Wer vermehrt (urheberrechtlich geschützte) Werke tauscht, wird in der Regel auch vermehrt abgemahnt. Relevant sind dabei aufgrund der dreijährigen Verjährungsfrist die letzten drei- teilweise die letzten vier Jahre. Obwohl Abmahnschreiben selten mehr als 12 Monate vom „Tatzeitpunkt“ an gerechnet, auf sich warten lassen, beobachten wir gerade in letzterer Zeit den Versand von Abmahnschreiben, mit angeblichen Tatzeitpunkten aus dem Jahre 2013 und 2014. Betroffen müssen also bis zum Eintritt der Verjährung auf der Hut sein.
Daneben gibt es aber Fälle, in denen Folgeabmahnungen geradezu vorprogrammiert sind. So ist die Gefahr von Folgeabmahnungen beim Download eines sog. Chartcontainers / Samplers, wie beispielsweise GERMAN TOP 100 Single Charts, BRAVO HITS, THE DOME, FUTURE TRANCE etc. besonders hoch, weil hier eine Vielzahl von Musikstücken unterschiedlichster Künstler – und damit in der Regel auch unterschiedlichster Rechteinhaber – geladen werden.
Da nicht jeder Künstler bzw. Rechteinhaber den gleichen Rechtsanwalt wählt, erhalten Betroffene oft eine Vielzahl von Abmahnschreiben für den Down- bzw. Upload eines einzigen „Albums“ bzw. Chartcontainers. Im Extremfall kann die Zahl der Abmahnschreiben die Anzahl der jeweils auf dem Chartcontainer befindlichen Musikstücke erreichen. Die Abmahnkosten belaufen sich in solchen Fällen in der Regel auf hohe vierstellige Beträge, in Einzelfällen auch auf fünfstellige Beträge.
Nicht selten werden betroffene Anschlussinhaber durch die Abmahnschreiben nicht darüber aufgeklärt, dass der jeweilig abgemahnte Titel Teil eines Chartcontainers ist. Es ist hier Sache des betroffenen Anschlussinhabers selbst rauszufinden, ob sich der abgemahnte Titel auf einem oder mehreren Samplern befindet.
Gerade beim Down- bzw. Upload von Chartcontainern stellt sich in der anwaltlichen Praxis immer wieder die Frage, wie mit der drohende Abmahnflut umgangen werden kann und die Kosten für die eine „Verfehlung“ niedrig gehalten werden können. Im Folgenden soll beleuchtet werden, wie die Abgabe von vorbeugenden Unterlassungserklärungen weitere kostenpflichtige Abmahnungen verhindern können.
Der Idee, drohende Folgeabmahnungen durch Abgabe sog. vorbeugender Unterlassungserklärungen zu begegnen, liegt der folgende Gedanke zugrunde:
Durch vorbeugende Unterlassungserklärungen wird versucht, der drohenden kostenpflichtigen Geltendmachung eines Unterlassungsanspruches durch unaufgeforderte Abgabe einer (vorbeugenden) Unterlassungserklärung zu entgehen.
Im Einzelnen:
Im Wesentlichen werden mit Abmahnschreiben aufgrund der unerlaubten Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke in sog. Tauschbörsen zwei Ansprüche kumulativ geltend gemacht: Ein Unterlassungsanspruch und ein Zahlungsanspruch (Schadensersatz + Rechtsanwaltskosten). Die Aufforderung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung dient dem Zweck, dass die Rechte des jeweils abmahnenden Rechteinhabers zukünftig nicht erneut verletzt werden. Denn durch die erste Verletzungshandlung wird eine sog. Wiederholungsgefahr vermutet, die nur durch Einstellung der Rechtsverletzung UND Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ausgeräumt werden kann.
Der mit den Abmahnschreiben geltend gemachte Unterlassungsanspruch löst die geltend gemachten Rechtsanwaltskosten für das Abmahnschreiben aus – jedenfalls solange die abmahnenden Rechtsanwälte behaupten, im Innenverhältnis zum Rechteinhaber sei eine Abrechnung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetzt (RVG), welches auf der Zugrundelegung von Streitwerten basiert, vereinbart worden. Obwohl die Behauptung, der abmahnende Rechteinhaber würde seine eigenen Rechtsanwälte für jedes einzelne Abmahnschreiben nach Streitwert, also in der Regel mit mehreren hundert Euro bezahlen, in Anbetracht der Tatsache, dass die geahndete Rechtsverletzung bereits abgeschlossen ist und das Gros der Betroffenen zwar nach Erhalt eines Abmahnschreibens keine P2P-Netzwerke mehr nutzt, aber gleichwohl deshalb nicht auf den legalen Erwerb, sondern auf andere illegale Portale zurückgreift, deren Nutzer nicht abgemahnt werden (können), wenig glaubwürdig ist, wird eben genau diese Behauptung von nahezu allen Gerichten mitgetragen. Für den Abgemahnten bedeutet dies, dass die zu erstattenden gegnerischen Rechtsanwaltskosten nach dem zugrunde zu legenden Streitwert berechnet werden. Die Streitwerte für das Geltendmachen eines Unterlassungsanspruches variieren – je nach Gericht – stark. In der Regel werden hohe Streitwerte zwischen 10.000 – 50.000 EUR angesetzt, so dass Rechtsanwaltskosten für ein Abmahnschreiben in Höhe von 651,80 EUR – 1.397,80 EUR entstehen können.
Die hohen Rechtsanwaltskosten für standardisierte Abmahnschreiben resultieren also – wie gezeigt – aus den hohen Streitwerten, die bezüglich des geltend gemachten Unterlassungsanspruches angesetzt werden.
Vereinfacht ausgedrückt:
Die Rechtsanwaltskosten einer Abmahnung entstehen dadurch, dass der gegnerische Rechtsanwalt zur Abgabe einer Unterlassungserklärung auffordert.
An dieser Stelle setzen vorbeugende Unterlassungserklärungen an:
Wer einen Unterlassungsanspruch eines Rechteinhabers befriedigt, BEVOR dieser den durch seine Rechtsanwälte kostenpflichtig geltend machen lässt, verhindert zwar nicht unbedingt die Abmahnung, weil diese sich auch auf die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen beschränken kann; Allerdings können die Kosten für solche Abmahnschreiben, die nur noch die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen, nicht aber die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen zum Gegenstand haben, nur noch nach dem Gegenstandswert des Schadensersatzanspruches – in der Regel sind das Beträge unter 1.000 EUR – berechnet werden, nicht aber mehr nach den Gegenstandswerten des Unterlassungsanspruches, die deutlich höher sind (wie oben gezeigt zwischen 10.000 EUR und 50.000 EUR). Â
Da die separate Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen für den Rechteinhaber aber problematisch ist, da er diese Beträge nur dann gegen den Anschlussinhaber durchsetzen kann, wenn NACHGEWIESEN IST, dass der Anschlussinhaber selbst, also täterschaftlich für den vorgeworfenen Upload verantwortlich ist, kommen Abmahnschreiben, mit denen nur Schadensersatz gefordert wird, in der Praxis selten vor. Für denjenigen, der weitere Abmahnschreiben befürchtet bedeutet dies, dass er nur die drohenden Unterlassungsansprüche im Vorfeld befriedigen muss. Mit späteren Abmahnschreiben könnten dann keine Rechtsanwaltskosten mehr gefordert werden, sondern maximal ein Schadensersatz, wobei letzteres wie gesagt, nicht häufig vorkommt.
Vereinfacht ausgedrückt lassen sich also durch vorbeugende Unterlassungserklärung kostenintensive Folgeabmahnungen verhindern.
Rund um das Thema Vorbeugende Unterlassungserklärung ranken sich diverse Mythen und Fehlinformationen, weshalb wir an dieser Stelle etwas Licht ins dunkle bringen wollen.
Immer wieder ist zu lesen, dass die Abgabe einer Vielzahl von Unterlassungserklärungen gefährlich sei, weil jede einzelne den erklärenden Anschlussinhaber lebenslänglich bindet und er somit letztlich lebenslänglich Gefahr läuft, dass andere Personen (z.B. Kinder, Enkelkinder) gegen sein Unterlassungsversprechen verstoßen. Die beschriebene Gefahr existiert tatsächlich. Allerdings wird meist verschwiegen, dass die Unterlassungserklärung im Wesentlichen ohnehin nur das wiederholt, was gesetzlich bereits im Urhebergesetz vorgesehen ist.
Der Unterschied zum gesetzlichen Verbot besteht in dem Versprechen des die Unterlassung Erklärenden, im Falle des Verstoßes gegen das Unterlassungsversprechen, eine angemessene Vertragsstrafe an den Rechtsinhaber zu zahlen (daher strafbewehrte Unterlassungserklärung). Das Vertragsstrafenrisiko ist daher tatsächlich erhöht. Aber auch hier muss einschränkend gesagt werden, dass der Anschlussinhaber nur dann zur Zahlung einer Vertragsstrafe verpflichtet ist, wenn ihm bezüglich des Verstoßes gegen sein Unterlassungsversprechen ein VERSCHULDEN vorzuwerfen ist. Wann dem Anschlussinhaber aber ein Verschulden angelastet werden kann, ist Frage des jeweiligen Einzelfalls.
Weiter ist häufig zu lesen, dass mit durch den Versand vorbeugender Unterlassungserklärung schlafende Hunde geweckt werden würde. Dieses Argument ist schlicht falsch. Wer als Betroffener einen Rechteinhaber anschreiben und sich diesem gegenüber strafbewehrt unterwirft, kann keine schlafenden Hunde wecken: Entweder der angeschriebene Rechteinhaber hatte den jeweiligen Anschlussinhaber bereits vorher „erwischt“ oder eben nicht. Im ersteren Fall wäre der abgemahnte einfach nur schneller als der Rechteinhaber gewesen, die Daten lagen aber schon vor und konnten keine schlafenden Hunde wecken. Im zweiten Falle erfährt der Rechteinhaber zwar zum ersten Mal von der Existenz des Erklärenden; er kann ihm zu diesem Zeitpunkt allerdings keine Urheberrechtsverletzung mehr nachweisen, weil diese längst abgeschlossen ist und weder seine damalige IP-Adresse noch das konkret getauschte Werke ermittelbar ist. Es kann nicht „rückwirkend getrackt“ werden.
Nicht verschwiegen werden soll an dieser Stelle, dass – wie sollte es anders sein – die Rechteinhaber regelmäßig argumentieren, eine vorbeugende Unterlassungserklärung entfalte keinerlei Wirkung, weil diese mangels Angabe des konkreten Werkes zu unbestimmt und eben aufgrund Ihrer Weite deshalb auch nicht ernstlich sein könne. Beide Argumente werden zwar immer wieder vorgebracht; Eine höchstrichterliche Klärung der Frage der Wirksamkeit von vorbeugenden Unterlassungserklärungen steht jedoch noch aus. Der Bundesgerichtshof hält sie zumindest für im Einzelfall „geboten“. Es scheint sich aber heraus zu kristallisieren, dass das konkrete Werk bei einer Unterlassungserklärung nicht genannt werden muss; Vielmehr reicht die Benennung der Werkkategorie. Es steht dem Abgemahnte frei, sich weiter zu unterwerfen als gefordert. Das Argument der Nicht-Ernstlichkeit kann unserer Ansicht nach schon deshalb nicht gelten, weil die Unterlassungserklärungen eben durch beauftragte Rechtsanwälte abgegeben werden. Hier zu unterstellen, der Anwalt würde die Erklärungen aus Spaß abgeben, entbehrt jeder Grundlage.
Vorbeugende Unterlassungserklärungen können helfen, weitere kostenpflichtige Abmahnungen zu verhindern und so das Kostenrisiko deutlich zu minimieren. Dennoch sollte der Versand von vorbeugenden Unterlassungserklärungen nur dann in Betracht gezogen werden, wenn ganz konkreter Anlass dazu besteht, also die Gefahr von Folgeabmahnungen geradezu zwangsläufig ist.
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